Dragon Age II – an kaum einen Spieletitel knüpften sich nach dem grandiosen Drageon Age: Origins so viele Hoffnungen wie an diesen. Vielleicht an Mass Effect 3 aus gleichem Hause, aber so weit ist’s ja noch nicht…
Ich habe Dragon Age II durchgespielt und sehe mich aufgrund der relativ schlechten Wertungen in einigen Magazinen und vor allem der desaströsen Wertung von zurzeit 4,3 (von 10) bei metacritic.com berufen, meine Erlebnisse niederzuschreiben. Fangen wir also von vorne an:
Der Einstieg in Dragon Age II fällt Spielern des ersten Teils leicht. Sie können Spielstände aus Origins importieren und die Geschichte mit einigem Hintergrundwissen auf sich wirken lassen. Der Ausgang von Teil 1 hat dabei zwar nur geringen Einfluss auf das Spielgeschehen, es gibt aber immer wieder nette Momente, in denen klar wird, dass die Entwickler sich viele Gedanken um eine nachvollziehbare und persistente Spielewelt gemacht haben. Doch auch für Neueinsteiger dürfte es wenig zu bemängeln geben (ich würde allerdings jedem empfehlen, Dragon Age: Origins zuerst zu spielen): Die ersten 20 Spielminuten sind schon grandios inszeniert und man wird sofort von der Welt, den Charakteren und deren Schicksal gefangen genommen. Anders als beim Vorgänger gibt es hier zwar keine 6 unterschiedlichen Anfänge, durch die Komplexität der Stadt Kirkwall und den damit verbundenen Entscheidungen bleibt der Wiederspielwert dennoch sehr hoch.
Der positive Ersteindruck verstärkt sich noch, sobald man mit den ersten rekrutierten Gefährten unterwegs ist. Das Questdesign ist durchgehend hochwertig, fast alle Quests werden durch Dialoge und Cutscenes aufgewertet und selbst die wenigen Aufträge nach dem Prinzip „Erschlage dies und bringe mir das“ sind nicht langweilig, denn „dies“ ist meistens eben ein besonders schwieriger Bossgegner, der eine eigene Taktik benötigt. Diese Kämpfe können sich dann auch mal über 20 Minuten hinziehen – und man kann im Kampf nicht speichern. Da komme ich auch direkt zu einem kleinen Kritikpunkt: Man muss der KI der eigenen Kameraden (in schwierigen Kämpfen) oft per Hand auf die Sprünge helfen. Vor allem dem Schutz des eigenen Lebens messen die Gefährten leider einen zu niedrigen Wert zu, das ist besonders ärgerlich in solch einem 20-Minuten-Fight wo der Heiler dann nach 15 Minuten umkippt statt sich zu heilen. Mit Hilfe eigener Taktikeinstellungen kann man diesem Problem zum Teil entgegen wirken, ganz abstellen kann man es aber nicht.
Und wenn wir einmal beim kritisieren sind: ja, die Texturen sind recht matschig. Aber nur, wenn man nicht das „High Resolution Pack“ von Bioware heruntergeladen hat (Download hier, 1.08 GB). Eine Grafikkarte mit 1024 MB VRAM sollte es dann aber schon sein. Ob mit oder ohne „High Resolution Pack“ fällt auf, dass Bioware – vermutlich der kurzen Entwicklungszeit geschuldet – viele Grafiksets wiederverwertet hat. Man kehrt öfters in die gleichen Gebiete zurück und Lagerhalle 1 sieht wie Lagerhaus 3 aus. Den Effekten hingegen sieht man die in die Jahre gekommene Engine nicht an, sie wirken plastisch und, genau wie die Landschaften und die Farbgebung, sehr stimmig. Geradezu majestätisch wirken die Außenbereiche von Kirkwall, besonders die hohen Gebäude der Kirche und die Festung in der Oberstadt.
Auch die Vertonung ist im Großen und Ganzen gelungen, nur einige wenige Nebencharaktere haben sehr unpassende Stimmen. Da sie nicht oft (meist nur einmal) auftauchen ist das ein vernachlässigbarer Lapsus. Die treibende Musik in den Kampfszenen trägt ihren Teil zur Spannung bei – man sollte sie aber im Menü runterregeln sonst ist es einfach zu bombastisch.
Aber ach… genug „chitchat“. Worum es bei allen (erfolgreichen) Rollenspielen geht ist die Story. Und hier hat Bioware wieder ein Meisterstück abgeliefert. Die Geschichte mag nicht den epischen Grundtenor aus Origins haben, ist aber nichtsdestotrotz originell und sehr umfangreich. Sie bietet großartig ausgearbeitete Charaktere, Spannung und – besonders gegen Ende – überraschende Wendungen und moralische Entscheidungen. Dabei bleiben die Motive der Beteiligten stets nachvollziehbar und vom Umgang mit der Story und den Storytwists könnte sich so mancher Filmregisseur noch eine Scheibe abschneiden. Zur Seite stehen Hawke dabei seine Weggefährten, die im Laufe der Zeit zu Freunden (und Geliebten) werden können. Jeder Begleiter hat eigene Ansichten zum Geschehen und Entscheidungen führen öfters dazu, dass man sich den Ärger eines Charakters auflädt, während die Anderen sich neutral verhalten oder freundlich gestimmt werden. Das war auch schon in Origins so, hier ist aber nachvollziehbarer, welche Antwort zu welchem Ergebnis führt.
Für jeden Begleiter gibt es mehrere „Loyalitätsmissionen“, die äußerst abwechslungsreich gestaltet sind. Diese bringen einem meist viele Freundschaftspunkte ein. Verhätschelt man seine Kamperaden indes zu sehr, kann es passieren, dass man mit einem Haufen unverschuldeter Probleme da steht (ich bin immer noch sauer auf einen meiner Mitstreiter xD). Wie auch bei Origins lohnt es sich, die Gruppenzusammenstellung öfters mal zu wechseln, um Freundschaftspunkte bei allen Kameraden zu sammeln oder einen Fernkämpfer durch einem Nahkämpfer mit mehr Leben zu ersetzen. Als Bonus hört man während der Laufphasen immer mal wieder witzige Gespräche zwischen den Gefährten, besonders Isabella-Aveline und Isabella-Merrill sind immer wieder für einen Lacher gut.
Hat man genug Freundschaftspunkte gesammelt, werden die Waffenbrüder (und -schwestern) Hawke beim grandios inszenierten Finale hilfreich zur Seite stehen. In diesem Finale zeigt sich erneut der Einfallsreichtum und die Exzellenz der Scriptschreiber. Die letzte Stunde im Spiel verging wie im Flug (ich hätte auf etwa 15 Minuten getippt!) – Spannung pur. Und, das sage ich als eigentlich erklärter Feind offener Enden, der Abschluss dieser tollen Story lässt auf einen weiteren Teil mit Hawke oder dem Wächter (oder beiden!) hoffen.
Fazit: Ein Meilenstein der Spielgeschichte – muss man gespielt haben. Auch als Nicht-Rollenspieler.